15. April 2023
Prof. Dr. Bodo Herold
Laut der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) gibt es in Deutschland 17 Mio. Berufsunfähigkeits- (BU) Verträge - Tendenz leicht steigend (vor allem in den Berufen mit geringer körperlicher Belastung), auch bedingt durch die Abschaffung des gesetzlichen Berufsunfähigkeitsschutzes zum 1. Januar 2001. Allerdings ist ein Großteil (ca. 13,5 Mio.) dieser Verträge nur ein Zusatzbaustein (BUZ), der mit einer Alters- oder Hinterbliebenenvorsorge kombiniert wird und keine ausreichende Absicherung für den Versicherten oder deren Familien darstellt. Vor dem Hintergrund von 45 Mio. Berufstätigen bedeutet dies auch, dass 28 Mio. Berufstätige gar nicht abgesichert sind und sich bei Berufsunfähigkeit auf die niedrige gesetzliche Erwerbsminderungsrente verlassen müssen, die meist nicht ausreicht, den eigenen Lebensstandard halten zu können. Daher gilt die BU nach einhelliger Meinung als eine der wichtigsten Policen überhaupt. Doch nach einer Studie der Continentale-Versicherung schätzen drei Viertel der Befragten das eigene BU-Risiko für „gering bis weniger groß“ ein und geben das „Geld lieber für andere Dinge aus“, wenngleich sie die BU-Versicherung als beste Absicherungslösung ansehen.
1. Das Berufsunfähigkeitsrisiko generell und aktuell
1.1. Definitionen und Abgrenzung Berufsunfähig ist nach § 172 (2) VVG, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge von Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer, mindestens sechs Monate, nicht mehr ausüben kann. Dabei definieren die Versicherer als „berufsunfähig“, wenn durch die Beeinträchtigung 50% der Aufgaben im zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr erledigt werden können oder eine besondere, den Beruf prägende Tätigkeit nicht mehr ausgeführt werden kann. Dagegen spricht die soziale Rentenversicherung von Berufsunfähigkeit, wenn die Erwerbsfähigkeit auf täglich sechs Stunden gesunken ist.
Der Grad der Berufsunfähigkeit wird individuell ermittelt. Denn ob und in welchem Ausmaß eine Erkrankung zur Berufsunfähigkeit führt, hängt davon ab, welche Tätigkeiten Sie zuletzt ausgeübt haben. Dieselbe Erkrankung kann es unmöglich machen, einen bestimmten Beruf auszuüben, während Sie einer anderen Tätigkeit sehr wohl noch nachgehen können. Dagegen ist die Arbeitsunfähigkeit ein zeitlich begrenzter Zustand ist, von dem angenommen wird, dass er in absehbarer Zeit wieder endet. Arbeitnehmer, die seitens eines Arztes für arbeitsunfähig er- klärt worden sind, haben zunächst einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Diese wird für die Dauer von sechs Wochen vom Arbeitgeber gezahlt. Ist der Betroffene über diesen Zeitraum hinaus arbeitsunfähig, besitzt er einen Anspruch auf Krankengeld. Dies bedeutet, dass nach Ablauf der sechs Wochen die gesetzliche Krankenkasse eintritt. Die Berufs- und Arbeitsunfähigkeit ist von der Erwerbsminderung abzugrenzen, wo nach § 43 SGB VI in zwei Arten unterschieden wird. Dies ist einerseits die vollständige Erwerbsminderung. Diese liegt vor, wenn der Betroffene aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit (mindestens sechs Monate) nicht in der Lage ist, eine Tätigkeit unter den normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens drei Stunden täglich auszuüben.
Andererseits kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Teilerwerbsminderung vorliegen. Dies ist bei Personen der Fall, welche aufgrund ihrer Behinderung beziehungsweise Krankheit auf absehbare Zeit (mindestens sechs Monate) nicht in der Lage sind, unter normalen Arbeitsbedingungen eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden durchzuführen. Allerdings erhält in der Praxis fast jeder teilweise Erwerbsgeminderte die volle Erwerbsminderungsrente, da die Personen sonst in die Sozialhilfe abrutschen würden. Im Gegensatz zu den Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeit ist es bei der Erwerbsminderung also nicht von Bedeutung, ob die Tätigkeit zumutbar ist oder nicht: Wer als so arbeitsfähig angesehen wird, dass er irgendeinen Job verrichten kann, der muss diesen auch ausüben.
1.2. Das Risiko Die Berufsunfähigkeitsversicherung steht auch bei den Verbraucherschützern ganz oben auf der Liste, wenn sie die Absicherung von wichtigen Lebensrisiken empfehlen. Immerhin kann der Verlust der eigenen Arbeitskraft große finanzielle Probleme mit sich bringen. Das Risiko sollte nicht unterschätzt werden, warnt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Laut einer aktuellen GDV-Statistik ist jeder vierte Arbeitnehmer von Berufsunfähigkeit betroffen. Im Schnitt sind die Menschen 47 Jahre alt, wenn sie wegen einer Krankheit oder eines Unfalls aus dem Job aussteigen müssen.
1.2.1. Anzahl In Deutschland gibt es derzeit laut der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Versicherungsmakler (AUV) über 2 Mio. Berufs- oder Erwerbsunfähige. Der größte Teil (in 2021 1,81 Mio. Personen) bezieht eine Erwerbsminderungsrente (im Durchschnitt 830 Euro pro Monat). Daneben sind laut Morgen & Morgen in 2021 271.000 BU-Renten in Auszahlung (707 Euro pro Monat pro Versichertem). 42% (in 2020) der BU-Rentenanträge werden abgelehnt. Die Gründe für eine Ablehnung waren lt. GDV in 2021 zur Hälfte (51%) Nichteinhaltung des versicherten BU-Grades, gefolgt von keiner Reaktion des Kunden auf Nachfragen (14%) und der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht (12%). Bei Ablehnung eines Rentenantrags können Versicherte innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen – was zehntausende Menschen jedes Jahr tun. Die Zahl der behandelten Widersprüche sank laut Rentenversicherung seit 2013 um rund 13.000 auf rund 70.500 im vergangenen Jahr. In 641 Fällen, also selten, hatte ein Widerspruch offiziell Erfolg.
1.2.2 Ursachen Der GDV weist für die BU-Versicherten folgende Entwicklung in den letzten 20 Jahren aus. (s. Abbildung 2) Auffällig ist ein moderater Abfall vom Bewegungsapparat-Anteil, dafür ein moderater Anstieg vom Krebs/Tumoren-Anteil und ein starker Abfall vom Herz/Kreis- lauf-Anteil, dafür ein starker Anstieg vom Neven/Psyche-Anteil, bei der Deutschen Rentenversicherung gar auf 47% in 2021. Es dürfte überraschen, dass Unfall und Herz-Kreislaufsystem zusammen nur die Hälfte der Fälle infolge Psyche ausmachen – und der Anteil „Psyche“ dürfte sich zukünftig eher noch vergrößern. (Abbildung 3)
1.2. 3. Aktuelle Änderungen bei den psychischen Ursachen Ursachen für psychische Krankheiten sind laut statista vor allem Depressionen, gefolgt von Schlaf-, Angst- und Essstörun- gen sowie Burnout, vor allem in Deutsch- land. Europaweit leiden laut travelriskmap 2023 nur in Irland, Spanien, Portugal und dem Kosovo mehr Menschen an psychi- schen Problemen als bei uns. Seit kurzem wird auch von „Burn on“ gesprochen, einer neuen Form der Über- arbeitung. Die Patienten wollen immer weiter, immer höher, sind getrieben – oft aus Begeisterung. Und dann wird ihnen plötzlich schwindlig, oder ihr Blutdruck gerät außer Kontrolle, wie die NZZ am 16.01.23 berichtet. Ein Einflussfaktor stellt lt. Prof. Teupe (siehe AZ vom 14.09.2022) die Inflation dar, die beim Menschen einen immensen Stress auslöst, wenn also die Lebenshal- tungskosten wie seit 2022 wesentlich stärker steigen als das Einkommen und den finanziellen Verpflichtungen kaum noch nachzukommen ist: Aber auch der Anteil „übriger Ursa- chen“ erfährt im Rahmen von Pandemien eine neue, größere Bedeutung. So sind laut WHO im Zuge der Corona-Pandemie die Fälle von Depressionen und Angst- störungen weltweit allein im ersten Pan- demiejahr um 25% gestiegen - fast eine Milliarde Menschen weltweit leben nach WHO-Angaben mit einer psychischen Krankheit. In Deutschland hat es in 2020 bei ca. 1,7 Mio. Covid-Fällen rund 106.000 An- träge auf Berufsunfähigkeit wegen Corona gegeben. Ein Jahr später waren es bereits 132.000 Anträge bei ca. 5,5 Mio. Fällen. Das übersteigt ein Mehrfa- ches der bisher anerkannten Berufs- krankheiten. Zudem schätzt die Weltgesundheitsor- ganisation, dass jeder zehnte Covid-19- Patient Long Covid bekommt, mit unbe- kanntem Einfluss auf Berufsunfähigkeit. In Deutschland wurden bis Ende 2022 37,4 Mio. Covid-Fälle gezählt, zzgl. einer Dunkelziffer. Eine Studie des Robert Koch-Instituts in der Gemeinde Kupfer- zell in Baden-Württemberg hat gezeigt, dass in dem Ort 3,7- mal mehr Infektio- nen nachgewiesen werden konnten, als bislang bekannt waren. Und eines ist kaum auszuschließen: Die nächste Pandemie wird kommen, laut dem Helmholtz-Institut vielleicht eine noch gefährlichere, und damit höhere Zahlen von Berufsunfähigkeit.
1.2.4. Verteilung Bei einer Einteilung in drei Alterskate- gorien fällt auf, dass mit dem Alter der An- teil der Nervenkrankheiten und der Unfäl- le abnimmt, zulasten von Herz- und Ge- fäßerkrankungen sowie geringfügig auch von Krebs und Tumoren. (Abbildung 4) Über die Altersdekaden zeigt sich ein starker Anstieg in den Lebensjahren 50- 59. (Abbildung 5)
Nennenswerte Unterschiede zwi- schen den Geschlechtern gibt es bei Psyche/Nerven, wo Frauen deutlich stärker betroffen (25% mehr) sind als Männer und bei Herz/Kreislauf, wo der Anteil der Männer 150% über dem der Frauen liegt. Bei einem Blick auf die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen fällt auf, dass bis heute der zunehmende Neven/Psyche- Anteil noch häufig in der Eingruppierung in Risikoklassen wenig bis gar nicht berücksichtigt wird. (Abbildung 6)
Die Eingruppierung erscheint noch sehr „Unfalllastig“ zu sein, und so weisen Bürokräfte (auch als „white collar“ bezeichnet) ein deutlich niedrigeres Risiko auf als Industriearbeiter und Handwerker (blue collar). Hier sind fast selbstredend Gerüstbauer am stärksten gefährdet, gefolgt von Dachdeckern.
2. Der persönliche Umgang mit einem BU-Risiko
Aus dem klassischen Risikomanagement lassen wir auch für Privatpersonen einige Schritte zum Umgang mit dem eigenen BU-Risiko ableiten.
2.1. Risikoabschätzung Das BU-Risiko setzt sich im Kern aus zwei Komponenten zusammen. Da wäre zunächst die Gefahr, berufsunfähig zu werden, die dominiert wird von dem je- weilig ausgeübten Beruf, gefolgt vom Alter (siehe oben), dem Gesundheitszustand und dem Freizeitverhalten. Zum anderen ist von Bedeutung, von welchem Lebenseinkommen („Brutto- Einkommen“) zum Stichtag ausgegangen werden kann. Mehr als eine Mio. Euro über die gesamte Erwerbstätigkeit zu verdienen ist ganz normal, viele Ar- beitnehmer liegen sogar weit darüber – vor allem dann, wenn ein hoher Bil- dungsabschluss vorliegt. So summiert sich laut karrierebibel.de für die Bache- lorabsolventen das Lebenseinkommen durchschnittlich auf 2,3 Mio. Euro, mit einem Master winken gar fast 2,6 Mio., je nach Branche auch noch deutlich höher. Und wer in den Vorstand eines DAX-Konzerns aufsteigt, kommt sicherlich auf einen mittleren zweistelligen Mio.-Betrag. Auch wenn von diesem die Einkommenssteuer abzuziehen ist, handelt sich in der Regel wohl um das größte Risiko einer berufstätigen Per- son. So gilt laut BU-Experten als Faustregel, dass sich die BU-Rente am Einkommen orientiert und die laufenden Kosten des Alltags decken sollte, mindestens aber 70 Prozent.
2.2. Risikovermeidung oder- reduktion Die möglichen Maßnahmen zur Risikovermeidung oder zumindest Risikoreduk- tion beschränken sich auf das jeweilige Privatleben – andernfalls würde es be- deuten, den aktuellen Beruf nur noch ein- geschränkt oder gar nicht mehr auszu- üben, z. B. den eines Dachdeckers. Dagegen bietet das Privatleben schon eher ein breiteres Maßnahmen-Spektrum, dass sich nicht nur auf den Verzicht von Ri- sikosportarten, wie Paragliding, reduziert. Daneben sind Ernährung und Bewegung, v. a. an der frischen Luft, sowie ausreichender Schlaf oft vernachlässigte Einflussgrößen. Doch auch am Arbeitsplatz lassen sich Maßnahmen ergreifen, z. B. im Umgang mit hohen Arbeitsbelastungen.
2.3. Risikotragung – Rücklage oder Versicherung Eine staatliche Berufsunfähigkeitsrente gibt es seit dem Jahr 2001 nicht mehr. Nur noch wenige Jahrgänge der vor 1961 Geborenen haben vor ihrem regulären Renteneintritt theoretisch noch Anspruch auf die frühere BU-Rente der Renten- versicherungsträger. Anstelle einer BU- Rente ist die sogenannte Erwerbs- minderungsrente getreten. Doch auch diese Form der staatlichen Absicherung hat im Fall gesundheitlicher Arbeits- unfähigkeit ihre Tücken:
Anspruch auf die volle Erwerbs- minderungsrente hat nur, wer höchs- tens drei Stunden am Tag arbeiten kann. Es kommt nicht auf den zuletzt aus- geübten oder erlernten Beruf an. Wer ei- ne staatliche Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen will, kann von der Rentenversicherung zunächst auf jede andere (auch berufsfremde) Tätigkeit verwiesen werden. In den fünf Jahren vor dem erstmaligen Anspruch auf eine Erwerbsminderungs rente müssen mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sein. Berufseinsteiger fallen daher von vornherein durchs Ras- ter. – Die Erwerbsminderungsrente ist oft nicht mehr als ein Almosen. Zum Bei- spiel beträgt die Erwerbsminderungs- rente (ermittelt zum 1. Juli 2021) bei fünf Versicherungsjahren gerade einmal zwischen 672 in Ost- und 620 Euro Westdeutschland. Und diese Rente muss – wie die Altersrente – versteuert werden. Für jedes Risiko bieten sich immer die beiden Möglichkeiten Eigentragung oder Übertragung an. Allerdings setzt eine Ei- gentragung eine ausreichende, in der Re- gel nicht gegebene Rücklage voraus. Ein Berufsanfänger, der noch Jahrzehnte sei- nen Job ausübt und sich darüber freut sein „erstes eigenes Geld“ zu verdienen und damit sich oft zunächst eine eigene Wohnung zulegt, kann kaum im BU-Fall auf „Hundertausende“ (oder gar mehr) zurückgreifen. So verbleibt dann letztlich häufig nur noch eine BU-Versicherung, die es hin- sichtlich der Prämienzahlung in drei For- men gibt: vollständig Arbeitgeber-finan- ziert, teilweise Arbeitgeber-finanziert, oder rein privat finanziert. Im Zuge des in vielen Branchen herrschenden Mitarbei- termangels bzw. der Gefahr der Abwer- bung gewinnt die Arbeitgeber-finanzierte BU-Versicherung zunehmend an Bedeu- tung. Traditionell wird die BU über eine Direktversicherung in der Lebensversi- cherung platziert. Seit kurzem offerieren aber einzelne Anbieter auch eine Lösung über eine Sachversicherung (Model C), mit deutlichen Vorteilen vor allem für den Arbeitnehmer. Insgesamt ist das aber si- cherlich in Zeiten des Personalmangels eine auch für den Arbeitgeber interessan- te Lösung. (Abbildung 7) Auffallend sind dabei vor allem bemer- kenswerte Prämienunterschiede, für „white collar“ (Büroangestellte i.w.S.) noch stärker für “blue collar“ (Industriear- beiter i.w.S.).
2.4. Risikokontrolle Wer einmal eine Entscheidung getroffen hat, sich nicht oder in bestimmtem Rahmen zu versichern, sollte von Zeit zu Zeit seine Entscheidung überprüfen. Es gibt verschiedene Einflussfaktoren, die das persönliche BU-Risiko beeinflussen:
– ein neuer Beruf, – ein verändertes Freizeitverhalten, z.B. das Ausüben einer Risikosportart, – der Gesundheitszustand, – ein anderes Einkommen, – neue Verbindlichkeiten (z. B. durch den Erwerb einer Immobilie), – ein neuer Familienstatus, meist verbunden mit der Konsequenz für einen höheren BU-Rentenbedarf, aber auch – externe Risiken wie Pandemien oder In- flation (bereits zu Beginn der 1990er Jahre stiegen die Preise teilweise um mehr als fünf Prozent pro Jahr).
3. Kriterien zur Auswahl eines BU- Versicherers
Wenn die Entscheidung für den Ab- schluss einer BU-Versicherung gefallen ist, steht die Auswahl des Versicherers an. Dabei hilft die Einschaltung eines Maklers oder ein Vergleich über eine Suchmaschi- ne nur bedingt, da häufig hier nicht alle Versicherer gelistet werden, sei es, dass sie neu am Markt sind oder nicht bereit sind, die gewünschten Vermittlungsprovi- sionen zu zahlen. In jedem Fall sind folgende Punkte zu analysieren bzw. zu vergleichen:
Die Versicherungsbedingungen
Nachversicherungsgarantie, d.h. eine Erhöhung der Rente ohne erneute Ge- sundheitsprüfung bei besonderen Er- eignissen wie Heirat oder Jobwechsel. Hier ist darauf zu achten, dass zwar auf eine Gesundheitsprüfung, aber nur sel- ten auf die Risikoprüfung verzichtet wird. Ein neuer Beruf und ein neues Hobby müssten also angegeben wer- den.
Verzicht auf Befristete Anerkenntnisse, d. h. die Versicherungsbedingungen se- hen nicht vor, dass der Versicherer eine Berufsunfähigkeit nur befristet aner- kennt.
Verzicht des Versicherers auf die gesetzlichen Rechte, die es ihm erlaubt, nachträglich vom Vertrag zurückzutre- ten oder den Beitrag zu erhöhen, wenn bereits bei Vertragsbeginn ein erhöhtes Risiko vorlag, das dem Versicherten aber nicht bekannt war.
Der Schutz gilt auch, wenn der Versicherte ins Ausland gezogen ist (weltweite Deckung). – Die Anerkenntnis der vollen Erwerbsminderungsrente durch die gesetzliche Rentenversicherung allein aus medizi- nischen Gründen wird als Berufsun- fähigkeit gewertet.
Vorübergehende Unterbrechung der Berufstätigkeit, d.h. wenn der Versi- cherte bei Eintritt der Berufsunfähigkeit nicht berufstätig (z.B. wegen Arbeitslo- sigkeit oder Erziehungsurlaub) war, zählt für die Anerkennung der zuletzt ausgeübte Beruf.
Verzicht auf medizinische Mitwirkungspflichten und auf Gesundheitsfragen, auch bei Vertragsanpassung sowie keine ärztliche Untersuchung.
Anpassungsmöglichkeit, die BU-Absicherung an ein steigendes Einkommen anzupassen oder direkte Vereinbarung einer Beitragsdynamik, womit eine jährliche Erhöhung der BU-Rente mit einem festgelegten Prozentsatz festge- schrieben wird.
Möglichkeit der Vereinbarung einer Leistungsdynamik, d.h. Steigerung der BU-Rente im Leistungsfall.
Kurze Karenzzeit (z. B. 30 Tage), also ei- nem Zeitraum nach Vertragsschluss, in dem der Versicherte keinen Anspruch auf Leistung hat dem verminderten Beitrag steht ein unkalkulierbares finanzielles Risiko gegenüber.
Jederzeitige Kündigungsmöglichkeit und Wiederaufnahme ohne zusätzliche Beitragserhöhung.
Laufzeit der BU-Rente: da viele Menschen nicht dauerhaft berufsunfähig werden, sondern es nach einigen Jahren zurück in die Arbeitswelt schaffen, ist es in der Regel sinnvoll, Verträge mit einer zehnjährigen - BU Rente zu vereinbaren, wenngleich dies etwas teurer ist.
Die Verfügbarkeit ausreichender Versicherungssummen
Der Preis bzw. die monatliche Prämie Im Leistungsfall
– reicht die Diagnose des Arztes des Ver- sicherten, auch kein Gutachten. – Verzicht auf abstrakte und konkrete Verweisung, d. h. der Versicherer verzichtet darauf, den Versicherungsnehmer auf einen anderen Beruf zu verweisen, der ggf. noch ausgeübt werden kann bzw. dies kommt nur dann in Frage, wenn er am allgemeinen Arbeitsmarkt verfügbar ist, gesundheitlich möglich ist und mit dem zuletzt ausgeübten Beruf vergleichbar ist.
- Rückwirkende Leistung für mindestens drei Jahre, wenn eine dauernde Berufs- unfähigkeit verspätet gemeldet wird, z.B. weil eine Erkrankung unterschätzt wurde oder die Existenz des Versicherungsschutzes Angehörigen nicht be- kannt war. - die Prozessquote, verstanden als die Anzahl verlorener Prozesse zu abge- lehnten Leistungsfällen, die für den Zeitraum 2019 – 2022 laut BU-Portal24 bei den Versicherern zwischen einem und zehn Prozent schwankt.
Das Rating des Versicherers (mindestens, nach S&P, A) und dessen Zahlungsbereitschaft, ausgedrückt als Leistungsquote, also als Prozentsatz der Auszahlung von der beantragten Summe.
Hier ermittelte Morgen & Morgen für den deutschen Markt große Unterschie- de: Von im besten Fall über 90% (bei Condor und Rheinland) bis runter auf nur rund 65% (bei Nürnberger und Zurich). Im Durchschnitt werden vier von fünf Leistungsanträgen bewilligt. Von der ersten Meldung beim Versicherer bis zur Auszahlung der Leistungen dauerte es durchschnittlich 110 Tage.
4. Zusammenfassung und Ausblick
Das Risiko einer Berufsunfähigkeit wird oft noch unterschätzt, denn jeden Vierten trifft es irgendwann einmal. Die anhaltenden und sich überlagernden, oft globalen Risiken, die häufig zu Angst, Depression, Burnout, Burn on und Schlafstörung führen, die wiederum ursächlich für das immer weiter steigende psychische Risiko sind, wird die Anzahl der BU-Rentenan- träge weiter steigen lassen. Wer nicht über ausreichende Rücklagen verfügt, sollte sich zunächst bei seinem Arbeitgeber nach einer „betrieblichen BU-Versicherung“ erkundigen, vor allem nach einer BU als Sachversicherung. Wenn es hier kein Angebot gibt, verbleibt nur der eigenständige Abschluss einer privaten BU-Versicherung.
Dafür sollte sich jeder ausreichend Zeit nehmen, um für sich die „richtige Lö- sung“ zu finden – ein „Schnellschuss“ über ein Vergleichsportal, das selten alle Anbieter auflistet, reicht nicht, genauso wenig, wie sich erst im Leistungsfall die Police wieder anzuschauen. Vertrauen (in die Versicherung und die Vermittler) ist gut, (wiederkehrende) Kontrolle ist besser.
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